Ausstellung in Bad Tölz: endlich geöffnet

Liebe Leser, liebe Inskribienten, liebe Musiker, liebe Welt!

Was mich am Leben hält, dass ich es liebe, dieses Dasein, ist meine Freiheit in meiner Kunst, meiner Musik, den geordneten Klängen – geordnet nach höheren Gesetzen. Ich habe vor zwei Tagen einen Zyklus fertiggestellt über neun Schriftsteller, habe Bilder ganz eigener Art in die Welt gebracht, meistens morgens zwischen zwei und sieben und bei dem einen oder anderen hat es mich ganz schön gebeutelt, zum Beispiel beim Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Hölderlin, dem großen Schwaben. Und irgendwann kam ein Gedicht dazwischen, von der Romantikerin Karoline von Günderrode, das ich zitieren muss, unbedingt zu zitieren habe.

Ausstellung

Der Luftschiffer

Gefahren bin ich in schwankendem Kahne,
Auf dem blaulichten Ozeane,
Der die leuchtenden Sterne umfließt,
Habe die himmlischen Mächte gegrüßt.
War in ihrer Betrachtung versunken,
Habe den ewigen Äther getrunken,
Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,
Droben die Schriften der Sterne erkannt
Und in ihrem Kreisen und Drehen
Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen.
Der gewaltig auch jeglichen Klang
Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang.
Aber ach! es ziehet mich hernieder,
Nebel überschleiert meinen Blick,
Und der Erde Grenzen seh’ ich wieder.
Wolken treiben mich zu ihr zurück.
Wehe! Das Gesetz der Schwere
Es behauptet neu sein Recht,
Keiner darf sich ihr entziehen
Von dem irdischen Geschlecht.

Von „die himmlischen Mächte gegrüßt“ über „den ewigen Äther getrunken“ oder „die Schriften der Sterne erkannt“ und „in ihrem Kreisen und Drehen / Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen“ – genauso denke ich, geht es mir täglich. Nur von „Aber ach! es zieht mich hernieder“ mache ich nicht mehr mit. Der ganze erste Teil bis „zu des Wohllauts wogendem Drang“ ist genau das, was ich täglich mache; den Erfahrungsrest sollte man tunlichst vermeiden, liebe Leserinnen und Leser. Das, diese sogenannte aktuelle Realität ist alles nicht so wichtig, wie gemeinhin getan wird.

Quadrivium und Trivium der septem artes liberales

Das sogenannte Reale, das uns Umgebende, die Natur zum Beispiel ist erst bedeutungsvoll, das heißt voll von unendlich vielen Bedeutungen, wenn wir uns in ihrer Schönheit, ihren Farben zum Beispiel, dieser unglaublichen Palette vom „blaulichten Ozeane“ bis zum „ewigen Äther“ bewegen, in ihnen schwimmen und tauchen. Die sieben freien Künste des mittelalterlichen Studiums – welches jeder, sei es ein Arzt, ein Architekt oder Lehrer zu durchlaufen hatte – waren aufgeteilt in die mathematischen Künste der Arithmetik als der Lehre von den Zahlen, der Geometrie als der Lehre von den Strichen und Formen, der Musik als Lehre von Beziehungssystemen und Folge von Klängen sowie der Astronomie als Lehre von den Beziehungssystemen der Gestirne. So wie Karoline von Günderrode sagte: „Droben die Schriften der Sterne erkannt / Und in ihrem Kreisen und Drehen / Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen.“

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Außerdem in die sprachlichen Künste, die Grammatik, die uns Menschen lehrt, wie wir auf der Basis der entstandenen, entdeckten, geschaffenen und festgelegten Regelsysteme ‚richtig‘ zu reden haben, die Dialektik zusammen mit der Logik, welche sich mit dem Inhalt des Sprachlichen beschäftigen, damit wir mit diesen Disziplinen „richtig“ reden lernen sowie die Rhetorik, deren Aufgabe es ist, so reden zu können, dass es für jeden Menschen verständlich ist.

Kunst ist Können und Müssen

Alles das sind Künste und Disziplinen, sind Tätigkeiten, die wir Menschen in unserem Leben ausüben. Tätigkeiten, die sich immer verändern und die mit ererbtem, erworbenem Wissen zu tun haben. „Kunst kommt von Können“ – und von „Müssen“, füge ich hier hinzu und meine mit diesem Wissen die tägliche Übung, wie ich es zum Beispiel seit meinem dritten/vierten Lebensjahr tue.

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Ich übe seitdem täglich mehrere Stunden Klavier; bevorzugt Mozart, Bach, Schubert, Beethoven, um nur einige der Komponisten zu nennen. Das Üben ist ein bedeutungsvoller Teil meiner Kunst-Tätigkeit. Sie schult meine Wahrnehmung, meine Fantasie, meine Intuition und sie ordnet meine Innerlichkeit. Sie beglückt die Menschen, die mich in unserem Haus hören können, wie ich erfahren habe.

Die Kunst der Musik, diese, meine menschliche Tätigkeit ist eins der allerhöchsten geistigen, mit den Sinnen entstandenen und immateriellen Ereignisse. Und diese Sinne sind es, die der umfassendsten täglichen Übung bedürfen. Diese Übungen, deren „Material“ wir im Abendland Kompositionen nennen, entstehen aus allen anderen Disziplinen der sieben freien Künste. Das Trivium mit den drei Bereichen wie oben aufgelistet meint nicht nur die verbale Sprache, nein es meint alle Sprachen: die musikalische Sprache, die Zeichensprache und alle weiteren existierenden Sprach-Arten.

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Die meiste Zeit meines Lebens habe ich sicherlich am Klavier oder Flügel zugebracht. Ich habe dort das Sehen gelernt – gelernt, wie das, was man Noten nennt, entschlüsselt wird. Hier in diesen Zeichen, in der besonderen Art des Aufschreibens von Musik sind die umfangreichen Disziplinen des Triviums komplett enthalten. Dort steht, in Zeichenformen aus Punkten und Strichen (Geometrie), die Grammatik, die Logik und die Rhetorik – zugegebenermaßen etwas verschlüsselt, aber für jeden, der durch Lernen und sehr viel Übung dieses Wissen erworben hat, logisch nachvollziehbar.

Die Erweiterung der Musik

Eine meiner Begabungen in diesem Leben bestand und besteht immer noch aus einer reichhaltigen, intensiven, ausufernden Fantasie, Intention und einem großen Erfindungsreichtum. Irgendwann in meinem Leben reichten mir die berühmten fünf Notenlinien nicht mehr aus, um all das in Schwarz und Weiß aufzuschreiben: aus den Linien wurden Formen, Kreise, Ellipsen, Flächen, Mehrdimensionalität und heute wühle ich mich in wilde Farborgien. Und all das ist Musik – für mich.

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Das, was ich in wenigen Worten hier dargestellt habe, ist das Ergebnis der letzten 50 Jahre meines Lebens. Im Jahr 1971 machte ich Abitur und konnte dann endlich nur noch das tun, was ich immer wollte: Musik machen. Das Gymnasium im schwäbischen Nürtingen basierte natürlich nicht auf den sieben freien Künsten, sondern … Aber reden wir nicht mehr darüber.

Ausstellung ist eröffnet

Heute vor einer Woche, liebe Leserinnen und Leser, erhielt ich von der engagierten Leiterin des Stadtmuseums in Bad Tölz am Nachmittag die Mitteilung, dass meine Ausstellung, die eigentlich am 1. November 2020 hätte eröffnet werden sollen, nun, knapp sieben Monate später eröffnet werden kann. Dies geschah dann einen Tag später.

Ausstellung

Inzwischen steht die Vernissage für den 31. Mai fest, die Ausstellung meiner Werke beginnt am 1. Juni und endet am 30. September. Sie ist täglich von 10 bis 18 Uhr, außer sonntags und montags, geöffnet.

Vor vier Wochen, wo noch nicht absehbar war, dass wir demnächst öffnen können, ließ ich von Josh von Staudach einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung erstellen. Im nächsten Newsletter werde ich zu den Bildern schreiben und über mein Denken sowie musikalisches Tun anhand dieser Arbeiten berichten. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Ausstellung besuchen – vielleicht treffen wir uns ja dort sogar. Neben den Bildern stehen noch zwölf KlangSteine von Hannes Fessmann in der Ausstellung und es wird, je nach aktueller Lage der Pandemie, in den nächsten Monaten eine ganze Reihe von Konzerten geben.

Heute schließe ich mit Friedrich Nietzsche, der meinte:

Ausstellung

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“

Herzlich,
Ihr Klaus Fessmann