Freiheit

Über die Freiheit der Kunst und die Würde des Geistes

Liebe Leser, liebe Inskribienten!

Es wird Herbst, immer eine Zeit die ich manchmal mochte manchmal gar nicht. Sie hat so etwas Morbides, gleichzeitig aber auch viel Innerlichkeit. Einfach Wärme und Kälte zugleich. Nach drei Wochen Kreta der Schock schlechthin. Für uns Künstler, speziell für uns Musiker ist das Theater mit diesem scheinbar in einem chinesischen Labor gezüchteten Virus alles andere als sinnvoll geklärt. Besonders was die Existenz der Freien Künstler angeht, ist NICHTS, aber auch gar nichts geklärt.

Und jetzt wenn’s kalt wird, kann man die Chorprobe auch nicht mehr so leicht in den Park legen, um die Abstände zu wahren. Dort ersetzte der alte Meterstab plötzlich den Dirigierstab, eine schon sehr eigenartige Szenerie. Wie wenn man dadurch alles in den Griff bekommen würde.

Dass es überall Viren gibt, ist so klar wie das Amen in der Kirche und ich hatte noch nie eine wirkliche Grippe, glaube ich, habe auch noch nie eine Grippeschutzimpfung über mich ergehen lassen, das Schlimmste an Krankheit waren die drei Scharlachinfektionen, die mir meine kleinen Kinder irgendwann in meinem Erwachsenenalter unbeabsichtigt verordneten. Das war heftig, aber mein Immunsystem war immer besser. Und um das geht es wirklich.


Musik
– Irrtümer und tanzende Sterne

Ob das damit zusammenhing, dass ich richtig viel Musik machte? Ich bin schon davon überzeugt und ohne diese Beschäftigung würde ich, und auch davon bin ich überzeugt, schon lange nicht mehr leben. Der alte Nietzsche Spruch: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ hat immer noch etwas, auch den anderen Satz: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, liebe ich. Wobei der Chaos-Begriff Nietzsches nichts mit dem von Mandelbroth gemein hat.

Konzert (open air) in Iffeldorf an den Osterseen

Es ist alles schon sehr brav geworden in dieser Welt, die Angst regiert ohne Unterlass. Das nervt, weil alles dann in diese Ecke gesteckt wird. ‚Bleib mir vom Leib, Abstand bitte!!‘ Wenn das die Raser auf der Autobahn auch denken würden? Diese Typen mit den Riesenkisten. Früher sagte man, Freud lässt grüßen, heute bin ich manchmal ganz froh, wenn mich da keiner abschießt. Auf Kreta war das Tempo auf der Autobahn auf 90 reduziert. Woh, war das eine Wohltat, richtig stressfreies Fahren. Irgendwann bleib ich dort, auf Kreta. Und lass mir meinen Flügel dorthin
schicken. Er wird es mögen!!!!


Von Dingen neben Corona

Ich schreibe heute NICHT über Corona, über die Angst, über das Immunsystem; nein, zwei Dinge sind in der letzten Woche geschehen, über die es sich lohnt nachzudenken und sie zu leben. Sie liegen mir am Herzen und ich vergesse dann viel schneller einige Trottel, die mich viel zu lange genervt und mir Stunden meines Seins gestohlen haben.

Gestern vor einer Woche geriet ich nach dem 7. Konzert mit dem Mozart’schen Requiem auf dem Odeonsplatz in München, das meine Frau unter der Titel „trotzcorona“ sehr erfolgreich und engagiert durchführte, in eine Diskussion zum aktuellen Thema mit Musikern, Gewerkschaftlern, Deutschen und Österreichern; und diese Diskussion war nicht depremierend, sondern erfrischend und sehr kreativ! Es ging ziemlich schnell um die Kunst, um die Freiheit derselben. Um die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Kunst.

Carmina auf dem Odeonsplatz; ich sitze an einem der Flügel

Es ist schon lange her, dass ich über das nachdachte, über diese Freiheit. Aber in Zeiten der heftigen Einschränkung dieser Freiheit ist es notwendig und gut, die Dinge wieder von verschiedenen Positionen zu bedenken, wie es sich für einen Bürger eines demokratischen Rechtsstaates gehört. Wenn ich heute wieder einmal nicht drum herum kam, einige Äußerungen der aktuellen Politiker zu lesen und mein Versuch, meine Erregung zu verhindern, scheiterte, dann ist folgender Satz lesenswert:

„Das individuelle Abwehrrecht gegen den Staat im Interesse freier künstlerischer Entfaltung wird gestützt durch den objektiven Gehalt der Verfassungsnorm, die dem modernen Kulturstaat aufgibt, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern.“


Das verbriefte Recht der Kunst

Die Freiheit der Kunst, die Freiheit, sich künstlerisch frei zu betätigen und seine Kunst, seine Kunstwerke der Öffentlichkeit vorzustellen, ist als Grundrecht in Art. 5 Abs. 3 CG gewährleistet. Und ist, wie die Wissensfreiheit, als Grundrecht vorbehaltlos verbürgt (Art. 5 III 1).

Der Kommentar führt weiter aus:

„Kunst ist frei. Diese Verfassungsnorm enthält eine objektive Wertentscheidung für das Verhältnis des Staates zur Kunst und zugleich eine subjektive Freiheitsgarantie für alle im Kunstbereich tätigen Personen, die dergestalt vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt geschützt werden.“

Konzert der Streicher des BRSO am Samstag in Iffeldorf (indoor)

Ich zitiere dies nicht aus Bosheit oder weil ich Menschen diskriminieren oder anderweitig beiliegen möchte, sondern verweise auf dieses verbriefte Recht, das wir Künstler besitzen und wir auch so einsetzen sollten, wie wir es brauchen, um unsere uns mitgegebene Kunst auszuüben. Mir tut es sehr gut, dies zu wissen und ich werde mir nichts mehr bieten lassen von Damen und Herren, die dieses Recht mit Füßen treten.

Soweit zur Kunstfreiheit.


Die Würde von Menschen und Dingen

Das zweite Ereignis ereignete sich gestern. Ich erhielt eine Einladung zu einem Kongress, der sich mit dem Thema Würde beschäftigt. Die Veranstalter waren über meine Website zu meiner Kunst mit den KlangSteinen auf mich aufmerksam geworden. Was für eine Ehre und wie wichtig ist dies nicht nur in diesen Zeiten, sondern immer, tagtäglich, stündlich, immer. Auch die Würde ist ein Verfassungsrecht. Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes definiert:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Diese Würde ist keine Absichtserklärung. Nein, dieser Art. 1 ist ein unmittelbar geltendes Recht.

Was ist Würde? Im Netz fand ich eine brauchbare Begründung: „Würde ist ein Achtung gebietender Wert, der einem Menschen innewohnt, und die ihm deswegen zukommende Bedeutung.“ In meinem Verständnis wohnt dieser Wert jedem Menschen inne, es kann nicht sein, dass es hier Unterschiede gibt.

Konkreter fand ich dann eine Interpretation dieses Begriffs. F.J. Wetz führt aus: „[Dass] der wahre Gehalt menschlicher Würde in verwirklichten Menschenrechten – einem Leben in körperlicher Unversehrtheit, freiheitlicher Selbstbestimmung und Selbstachtung sowie in sozialer Gerechtigkeit [gleicht].“


Die Absichtslosigkeit des Hinhörens

Was sind das für Ereignisse, dachte ich gestern Abend. „Kunstfreiheit“ und „Würde“. Nicht nur die Menschenwürde, nein auch die Würde sämtlicher Lebewesen, die Würde der Natur, des Planeten … Und für mich besonders die Würde der Klänge, die aus den Steinen kommen. Ein Stein ist für mich kein Instrument (übrigens mein Flügel auch nicht, aber das ist etwas anderes). Ein Stein ist da und muss nicht zu etwas gemacht werden, was unserem menschlichen Denken entspricht.

Ich habe in den über 30 Jahren, seit denen ich mich mit den Klängen von Steinen beschäftige unglaublich viel gelernt, über die Musik, über die Absichtslosigkeit des Hinhörens, über die Vermeidung von Kraft, von Wollen, von zielgerichtetem Tun. Für die indischen Musikerfreunde war es immer selbstverständlich, dass Materie mehr ist als ein Objekt, das dem menschlichen Geist untertan ist. Sie stellten dies immer auf dieselbe Ebene, auf denselben Rang.

Das war schon damals meinem Denken verwandt, Respekt zu haben, um u.a. Resonanz spüren zu können, Achtung und Achtsamkeit, Vermeidung jeglicher Kraft und Gewalt – die Liste ist fortsetzbar.

Und das alles ist für mich in diesem Begriff der Freiheit der Kunst, der Würde des Geistes beheimatet und immer in der Musik, der aller-höchsten, umfassendsten Form humanen Denkens und Tuns.

 

–> Wenn Sie sich für weitere Infos zum Thema Würde interessieren, empfehle ich Ihnen das „Würde-Kongresstival“ am 24. und 25. Oktober.

… und am Schluss ein ‚aufmunternder‘ Satz für alle arbeitslosen Künstler von CDU-Politiker Merz: „Es gewöhnen sich zu viele daran, nicht zu arbeiten.“ Das war das Wort zum Sonntag.

 

 

Herzlich, der KF