Bildung

Das Lehren

Ich habe mir vorgenommen, weiter an der Verbreitung und Etablierung von Musik und Kunst im Leben von uns Menschen zu arbeiten. Aber auch genauso an der von Pflanzen und Tieren, der ganzen Schöpfung, da ich von den grundlegenden ethischen Prinzipien dieses Bereichs über alle Maßen hinaus überzeugt bin.

„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, schreibt der Philosoph Friedrich Nietzsche.

Unter dem Begriff Chaos versteht er nicht das Ungeordnete, Unberechenbare, sondern das der Nützlichkeitslogik gegenüberstehende andere, die anderen Sphären unseres Lebens.

Ein tanzender Stern ist ein wunderbares Bild, welches mich durch dieses Jahr trägt. Tanz ist der Ausdruck von Bewegung, von nie stillstehender Bewegung.

Sie ist, wie Musik, nicht festzuhalten, denn sonst ist sie vorbei. Sie ist lebendige Energie, ist ununterbrochenes Tun.

So wie es den Zisterzienser-Mönchen verboten war zu sprechen, würde ich genau das Gegenteil empfehlen: Dieses Mal aber nicht primär mit Sprache, sondern mit allem was sich bewegt. Mit Musik, mit Kunst, mit Lyrik.

Ich verbringe gerade das sechsundvierzigste Jahr meines Lehrlebens. Solch eine lange Strecke des Bildens und Ausbildens liegt inzwischen hinter mir.

Lehren für was?
Lehren für wen?
Lehren, um etwas zu erreichen?
Lehren, um etwas zu verhindern?

Das sind und waren die Fragen.

Den Muff unter den Talaren wollten wir 1968 verhindern und eliminieren, was uns auch gelang.

Freiheit wollten wir lehren und leben, um zu sehen, was in uns steckt. Um zu sehen, was wir ohne Autoritäten und ohne geregelte Vorschriften entwickeln können.

Und Humanität wollten wir helfen in die Welt zu bringen, angefangen bei jedem Einzelnen.

Vieles ist auf der Strecke geblieben, vieles verschwand.

Einiges ließ sich realisieren, einiges blieb in Arbeit, oftmals dort auch ganz stecken.

Aber aufgegeben habe ich nie, niemals. Und werde dies auch nie tun.

Immer in Bewegung sein, immer Musik machen – das war und ist das Thema für mich.

Lehren

Den Satz „Ich bin kein Pädagoge“ trug ich jahrelang vor mir her. Nicht weil ich demonstrieren musste, dass dies so ist, sondern um zum Denken anzuregen. Sicherlich auch, um zu provozieren.

Nach einer für einen Künstler unerträglichen Schulzeit an einem Gymnasium im Schwäbischen, wo schon andere große Denker ihre Probleme hatten, schwor ich mir, niemals Lehrer zu werden

…und wurde es schon eine Woche nach dem Abitur. Es erstaunte mich damals, dass man sich nur dem Gegenüber liebend zuwenden muss, um erfolgreich zu sein und die Fähigkeiten des Anderen hervorzuholen.

Das ist mein Grundprinzip geblieben: Die Schüler zu lieben.

Nicht auf eine verwerfliche Art und Weise, wie dies heute leider immer noch viel zu oft geschieht, sondern als Mensch, als eine wertvolle Kreatur.

Ich verließ die zweite Musikpädagogik-Vorlesung meines Lebens nach der Hälfte derselben und tat mir so etwas nie mehr an. Lieben reicht dachte ich, Konzepte dazu gibt es nicht.

„Freedom doesn’t exist in a schoolbook“ schrieb der Doors-Sänger der Riders on the storm, J.D. Morrison, was nur zu unterstreichen ist.

“Was ist zu lernen?”, dachte ich mir immer wieder. Lesen, Schreiben, Rechnen. Wer dann den Weg für sich gefunden hat, kann ja auf seinem Spezialgebiet weitermachen. Lesen, Schreiben, Rechnen sollte ausreichen, wenn man jedes davon so nutzt, wie man es im Leben braucht.

Und all das, so wurde mir in meinem Tun klar, lernt man am besten, wenn man sich mit Musik beschäftigt.

Wie die Inder sagen: Observing, Listening, Thinking, Practising.

Würde man alles wieder auf diese Ebene bringen, wäre das Zusammenleben im Erlernen von Dingen, die einem helfen, in die Welt zu kommen, viel klarer und einfacher, überschaubarer, hörbarer.

Davon – und dies möge für den Anfang des Jahres ausreichen – bin ich nicht nur überzeugt, sondern praktiziere es inzwischen seit über 45 Jahren selbst.

Und da Musiker, wirkliche Musiker, nie in Rente gehen, ist das sogenannte lebenslange Lernen keine Erfindung der Pädagogen, sondern das, was wir Musiker immer tun und schon getan haben: Musik machen, spielen, tönen, klingen und in Bewegung sein.

Ganz nach dem Motto: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Lehren

Satori

SATORI war eine der ersten visuellen Aufzeichnungen der Musik, die ich in mir hörte.

Der aus dem Zen-Buddhismus stammende Begriff SATORI war in den Jahren meines Musikstudiums eines meiner bedeutungsvollsten Ziele. Er kristallisierte sich aus einer scheinbar sehr widersprüchlichen Mischung heraus: der Beschäftigung mit Zen, indischer Musik, den Sus, Psychoanalyse, Marxismus, Theosophie, Mozart, den Doors, Freejazz und noch vielen anderen Dingen.

Die musikalische Graphik SATORI fasst all das in drei Kreise zusammen. Im Zentrum der Zeichnung stehen die Verschiedenheiten der Musiken, die jeweils durch Kreise umgeben und durch sie festgehalten werden. So gab mir dieses Fassen die Kraft, alle mir wichtigen Diversitäten leben zu können.