Wenn ich bei meinen vorweihnachtlichen Konzerten mit Laetare in der Kirche meinen KlangStein ertaste und die ersten Klangwolken um mich herum schweben, wird es innerlich für mich ruhig.
Letztes Jahr wurde ich richtig melancholisch und begriff, was die staade Zeit ist: Der Advent. Noch nicht Weihnachten!
Es ist die Erwartung, die Vorfreude auf Weihnachten.
Die Adventszeit ist die Zeit vor der Geburt. Wo es ruhig, wo es langsam wird. Wo die Zeit in mir still zu stehen scheint.
In dieser Zeit werden Sphären und Atmosphären geschaffen. Es schleicht sich eine feierliche, intensiv berührende Stimmung in den Tag. Überall in den Häusern stehen Kerzen, deren Licht weich scheint. Der Adventskranz, kunstvoll geflochten und verziert, riecht geheimnisvoll und gewissenhaft.
Dieses singende, spielende Tönen tut mir gut. Es erinnert mich immer an altes Wissen, an altes Denken und an ehemaliges Tun.
In dieser Zeit verstehe ich, dass ich mich in meinem Leben ausschließend im Musizieren zu verstehen gelernt habe. Wenn ich etwas klanglich hörend denke, wenn ich die Musik höre und sehe, dann verstehe ich die Welt und mein Dasein. Mit jemandem zu sprechen, gestaltet sich für mich als sehr viel leichter und ergiebiger, wenn ich dies mit Tönen tun kann.
An meinem Flügel oder KlangStein zu sitzen, die Worte Maria durch den Dornwald zu singen, die Töne zu dehnen und zu färben und die Harmonien aus den Instrumenten dazu fließen zu lassen – das öffnet für mich denn Sinn und den Gehalt dieser Worte auf einer anderen, Musik verstehenden Ebene.
Schon von früher Kindheit an habe ich die Vorgänge um mich herum nur verstanden, wenn ich sie klanglich hörte und dachte. Eine Pflanze im Biologieunterricht mit all ihren Gesetzmäßigkeiten verstand ich erst, als ich sie riechen gelernt habe.
Das Riechen-Verstehen, welches ich von Oruc Güvenc erfahren habe, kommt ebenso aus der Musik. Er, der alt-orientalische Musiktherapeut türkischer Abstammung, hatte mich gelehrt, dass Musik riecht und ich sie in meine Nase einsaugen kann. Diese Eigenschaft gehört zur Musik genauso wie das Tönen und die Farbe.
Auch alles Religiöse drohte ich im Laufe meines Lebens immer wieder zu verlernen, sobald die Schule und das standardisierte Lernen ins Spiel kam.
Als kleiner Junge saß ich Sonntags in der katholische Kirche oben auf der Empore neben der Orgel und spürte die Bässe klingen, die sich mit den lateinischen gesungenen Sätzen der feierlich gekleideten Priestern verbanden und durch den Weihrauch zu mir durchdrangen. Das war die sonntägliche Oper meiner Kindheit, wo ich alles verstand. Ich verstand es, weil es tönte und sich diese Klänge tief mit meinem Sein verbanden.
Auf diese Weise habe ich auch Schreiben und Rechnen gelernt. Von früh an habe ich anhand der Noten vor mir gesehen, wie Musik aussieht und aus was sie besteht. So habe ich festgestellt, dass zu einem Ton oder Klang auch immer ein Zeichen gehört, welches wiederum den Klang in sich trägt, den ich beim Betrachten innerlich höre. Und das Rechnen lernen geschah automatisch, da das Mitzählen in der Musik bald im Unterbewussten angekommen war und somit Teil meines musikalischen Seins wurde.
So war der Advent und das Weihnachtsfest immer eine Art Höhepunkt meines eigenen Daseins.
Ich hatte immer die Aufgabe, alle am Klavier beim Singen mit meinen Klängen zu begleiten und mit der Musik diese besonderen Momente zu feiern. Es war schön und sie wird immer schön bleiben, diese Zeit am Ende des Jahres. Gern wäre ich dort das ganze Jahr über verblieben, auch ganz ohne Geschenke. Denn die hatte ich schon in der Musik über alle Maßen.
“Nada Brahma, Die Welt ist Klang”, sagen die indischen Musiker.
Das ist gut so und reicht mir. Ich liebe die Musik und kann diese Liebe nicht nur nehmen, sondern auch geben. Was für ein Glück meines Lebens.