Wirkweisen der Musik in Therapie und Bildung

Liebe, sehr geehrte AbonnentInnen, liebe Freunde,

abends bin ich oft einigermaßen frustriert und immer noch wütend, wenn ich Nachrichten fast schon aus Versehen anschaue und die Ohnmacht spüre, die die sogenannten politischen Verantwortlichen mit ihrem nichts- oder zu wenig-Tun verursachen.

Und ich hier mit meiner Kunst, meinen Noten, meiner Musik dem fassungslos gegenüberstehe.

Ich muss mir anhören, dass versucht wird, eine Klimaneutralität, oder wie das heißt, erst in 30 Jahren zu erreichen. Erstens glaube ich das ohnehin nicht.

Zweitens leben dann die Damen und Herren, die dies beschlossen haben, nicht mehr und man kann sie nicht mehr zur Verantwortung ziehen.

Und drittens wird es da diese Landschaften und Städte ohnehin nicht mehr geben, da sie von den Urgewalten weggespült sind.

Morgens ist es da mit meinem Gefühlszustand besser.

Ich stehe immer früh auf, wach und klar, begrüße durch meine Schüttelübung den Morgen, obwohl sie eigentlich Begrüßung des Frühlings heißt, lese einen Blog, der perspective daily heisst.

Und überlege, was ich in dieser Gesellschaft eigentlich alles anstellen kann, damit man endlich begreift, dass ein Leben ohne Musik gar nicht geht, dass es unmöglich ist, so etwas zu denken oder zu tun.

In meinem Leben führte das dann immer zu interessanten Ergebnissen, die jetzt ein Haus bekamen.

Die Entstehung des Instituts für Weiterbildung

Vor fast schon zwei Jahren wurde ich von Dr. Christian Trumpp, dem Präsidenten der IB-Hochschule, der Hochschule für Gesundheit und Soziales, gefragt, ob ich nicht in der Kooperation mit meiner Universität, dem Mozarteum in Salzburg, ein Institut für Weiterbildung (IfW) entwickeln könnte.

Nach kurzem Zögern (extrem kurz) sagte ich zu. Inzwischen steht das Gebäude und zeigt, was man alles tun kann, wenn man mit Kunst & Musik und gesundheitsfördernden Methoden zusammen Dinge entwickelt, die noch viel intensiver als die Naturwissenschaften ihren dazu noch viel bedeutenderen Teil zur Gesundung dieser Menschheit und dieser Erde beitragen können.

Hier ein erster Überblick über die verschiedenen Bereiche, die in diesem Institut gelehrt und vermittelt werden:
Bildung

Die Basis für all das ist immer die Bildung. Bildung beschäftigt sich mit den humanen Ressourcen der Menschen, die sowohl in ihnen selbst als auch in ihren Lebensbedingungen angelegt sind.

Es sind Ressourcen, die allen Menschen mitgegeben sind wie ihre Sinne, ihre Wahrnehmungsorgane, die auszubilden sind in dem, was die griechischen Philosophen als die Musica Humana bezeichnen.

Der Begriff Musica bezieht sich in seiner Grundbedeutung auf die allen Phänomenen eigenen Schwingungssysteme.

Seien es die mechanischen Schwingungen, die als Töne, Klänge, Geräusche in Form von Schallwellen vom Ohr empfangen werden und die eigene Wahrnehmung und die gegenseitige Kommunikation übertragen, als auch als elektromechanische Schwingungen, die als Lichtwellen übertragen und vom Auge empfangen werden.

All das sind die grundlegenden, wichtigen Teile der hier dargestellten und vermittelten Bereiche.

KlangStein-Spielen und KlangStein-HeilKunst

Da wir davon ausgehen, dass alle Menschen in der Lage sein müssen, dass sie dies auch in der Kunst des Heilens, den medizinischen Bereichen und in deren therapeutischen Methoden anwenden können, haben wir die Kunst des KlangStein-Spielens und die KlangStein-HeilKunst entwickelt.

Damit ermöglichen wir zum Beispiel allen ErgotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, um nur zwei Bereiche zu erwähnen, ihre definierten Methoden mit dieser Kunst zu verbinden und, wie wir zum Beispiel in der Aerpah-Klinik dies realisieren konnten, auch zu beweisen.

Der Film des SWR: Wenn Klänge heilen dokumentiert dies ausführlich (bei mir anzufordern oder als QR-Code).

Wir haben natürlich auch eine Forschung eingebaut, deren Ergebnisse in der Lage sind, die wichtigsten aktuellen Krankheitsbilder zu heilen:

Bildung

Demenz haben wir bereits ausführlich, über sechs Jahre in der Aerpah-Klinik in Esslingen erforscht (siehe o.g. Film), die Ergebnisse liegen vor und können eingesehen werden.

Besonders das Klinikum Coburg ist dabei äußerst erfolgreich in seiner KlangStein-Arbeit. Ich würde gerne im Laufe der nächsten Newsletter die Palette weiter öffnen und zeigen, was man tun kann, um hier tätig zu werden, um hier in zu schaffende Berufe einzusteigen oder dieses Tun in bestehende Berufe zu integrieren. Musiker sind immer etwas anders als viele der anderen Berufe.

Musiker müssen immer mit anderen zusammenarbeiten, sie müssen kooperieren, sie sind immer aufeinander angewiesen.

Das verlangt viel Empathie, viel Hinein-hören und -verstehen des Anderen, zum Anderen hin.

Musik erzeugt immer ein Immaterielles, etwas was man nicht in die Garage stecken kann.

ReSonanz & AkzepTanz

So entstand zum Beispiel das Migrationskonzept ReSonanz & AkzepTanz.

Bildung

Zusammen mit KollegInnen und Studierenden des Orff-Instituts an meiner Universität, dem Mozarteum in Salzburg, fuhren wir, nach Anfrage der Schulleitung an der Grundschule in Essen-Katernberg, dorthin und waren zunächst verblüfft, dass es in einer Schule so zugehen kann.

Bis zu zwölf verschiedene Sprachen wurden dort gesprochen, ein deutscher Junge war noch dort, die LehrerInnen großteils im Burn-out, das Gebäude marode und eine Stimmung wie beim Weltuntergang (siehe Stern-Artikel).

Das einzige Mittel, welches überhaupt noch in der Lage war, die Situation zu verändern, war die Musik, das Tönen, das Klingen. Musik ist in der Lage, über die Grenzen der Sprache hinweg eine Verbindung zwischen Menschen herzustellen.

So schafften wir es, mit dem Klang des Namens eines jeden Schülers eine Ebene des Verstehens zu schaffen.

Der Name von Abdullah, gesungen von ihm, verbunden mit einer Bewegung der Arme, der Beine und des ganzen Körpers wurde von allen Schülern nachgemacht, repetiert, imitiert.

Bildung

Alle anderen SchülerInnen der Klasse machten hier mit, achteten genau darauf, dies auch so nachzumachen, wie Abdullah dies vorgezeigt hatte.

Das Prinzip der Musiké

Musiké nennt man diese Vorgehensweise, die uralt ist und aus dem antiken Griechenland stammt.

Musik ist Teil der unzertrennlichen Verbindung zwischen Musik, Sprache und Tanz. Alles, und auch das konnte hier gelernt werden, hängt miteinander zusammen.

Die Musik als Melodie, Harmonie, Rhythmus, die Sprache neben den Inhalten mit denselben Bestandteilen und die Bewegung als Ausdruck des Körpers, der Seele und des Geistes und als Symbol für Gesundheit.

Denn ohne Bewegung läuft gar nichts.

Bildung

Wir schafften es, die Klassen, die ganze Schule aus der Erstarrung wieder in Bewegung zu versetzen, eine Verbindung zwischen allen Beteiligten zu kreieren und die elementaren Kompetenzen jedes Einzelnen zu stärken.

So wurde das Rechnen in einem Jahr um 65% besser, das Schreiben um 70%, in den Pausen auf dem Pausenhof ging die Gewalt zurück: Hier wurde Musiké geübt und das Gelernte umgesetzt.

Die Aufführungen am Ende des Schuljahres wurden zu einem richtigen Schaulaufen dieses Prinzips, der entstandene Rap symbolisierte dies:

Wir sind die coolen Kids aus Essen
und wir wollen heute
Die Schule vergessen …

So hatten wir Presseartikel mit den Überschriften:

„Mit Tönen leben statt mit Tritten“

„Von der Muse wachgeküsst“

„Geist gegen Getto“

„Wenn ich denke, niemand versteht mich, dann mache ich jetzt Musik“

„Oberster Grundsatz der Arbeit von ReSonanz & AkzepTanz ist die spielerische Beschäftigung mit Musik. Die Schüler singen und tanzen. Sie lernen keine Lieder, sie erfinden welche. Zum Beispiel den Song, mit dem die Projektstunden beginnen: „Dieses Anfangsstück ist unser Superhit, alle Kinder aus der Klasse machen mit.“

„Klar weiß ich, wer Mozart ist. Das war ein ganz großer Sänger.“

„Da war Power auf der Bühne, und die Kinder agierten wie Profis in ihren Rollen, ob sie nun einen Bauchtanz vorführten, eine Rapeinlage zeigten, ob sie gemeinsam sangen, ob sie auf Instrumenten spielten oder Dialoge führten.“

… und zum Schluss: „Ich erinnere mich am liebsten daran, als wir mit Klatschen und Schnipsen den Rhythmus gemacht haben. Es wird dir ganz warm und Du kannst besser rechnen. Ich mache jetzt Kopfrechnen mit Rhythmus.“

Bildung

Meine Motivation, Musik zu lehren

Deshalb, liebe Leserinnen und Leser mache ich Musik, unterrichte ich, bilde Studierende aus, dass sie diese Ideen weiterentwickeln und weitergeben. Auch weil wir unter den vielen Preisen die wir für unsere Arbeit erhalten haben, den Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2008“ erhalten haben. Dieser Preis macht mich stolz.

Deshalb lohnen sich diese unglaublichen Mühen, der unvorstellbare Stress, wenn ich Nachts um 2 Uhr von einem Konzert mit meinen KlangSteinen nach Hause kam und um 4.30 Uhr wieder nach Essen weiterfuhr, um an der RESONANZ und der AKZEPTANZ in der Schule in Essen-Katernberg zu arbeiten.

Und deshalb arbeite ich weiter, täglich und so viel ich nur kann. Auch im Neuen Jahr, für das ich mir viel Frieden, viel Liebe, viel Empathie, viel Engagement für das Klima, für die Toleranz und für die Demokratie wünsche, die ich immer noch für die beste politische Lebensform halte.

Dies wünsche ich für mein Leben, das meiner Frau Andrea und unserer Familie, meiner Freunde und Euch/Ihnen allen, die Ihr mein Leben mit begleitet.

Ein Gedicht von Erich Fried soll uns alle
begleiten:

Inschrift

Wo die Mächtigen
auf vernünftige Worte hören
dort sind die Klugen
gegeneinander gerecht
dort schwimmen die Steine
und retten ertrinkende Fische
dort können die Alten
und Jungen einander verstehn

Herzliche Grüße
Ihr Klaus Fessmann